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Beispiele erstrittener Gerichtsentscheidungen:


30.03.2006

Der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bestätigt die bisherige Rechtsprechung, wonach nach Anscheinsbeweisgrundsätzen vom sorgfaltswidrigen Umgang des Karteninhabers mit seiner PIN auszugehen ist.

Allgemeine Behauptungen zum Knacken der PIN sind nicht berücksichtigungsfähig und eher spekulativ; ohne konkrete Anknüpfungstatsachen laufen sie auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.

Etwaige Organisationsmängel beim Kartenunternehmen treten bei der Gesamtabwägung nach § 254 BGB zurück, da der Karteninhaber durch seine Pflichtverletzung den Schaden in höherem Grad wahrscheinlich gemacht hat.

Das Kartenunternehmen trifft kein mitwirkendes Verschulden wegen vermeintlich unzureichender technischer Standards.

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30.03.2006 (16 U 70/05), veröffentlicht in NJW-RR 2007, 198f, zuvor Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.03.2005 (2-31 O 215/04)


Dem Fall lag der Sachverhalt zugrunde, dass dem Inhaber einer EUROCARD/MasterCard-Kreditkarte diese samt Geldbörse am Morgen des 07.12.2002 in Rom entwendet worden war; entwendet wurde auch seine ec-Karte. Rund eineinhalb Stunden später wurden zwischen 11 h und 11.30 h mit Karte nebst PIN 20 Bargeld-Abhebungen an diversen Geldautomaten getätigt. Um 10.30 h erfolgte eine Sperre der ec-Karte beim Nottelefon der kartenemittierenden Bank, die ausweislich eines Poolsperren-Hinweises auch die Sperre der Kreditkarte erfasst habe; um 11.44 h erfolgte die Kartensperre der Kreditkarte bei dem nach den Vertragsbedingungen richtigen Sperrdienst. Der Karteninhaber wurde mit den Beträgen der 20 Abhebungen belastet und verlangte deren Erstattung; er meinte, nicht sorgfaltswidrig gehandelt und die PIN zu Hause aufbewahrt zu haben; im Übrigen habe seine Sperre bei der Bank ausgereicht.

Das Oberlandesgericht entschied, dass der Karteninhaber keinen Anspruch auf Erstattung habe. Das Kartenunternehmen könne einen Schadenersatzanspruch entgegenhalten, da nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins vom sorgfaltswidrigen Umgang mit Geheimzahl auszugehen sei; dieser Anscheinsbeweis könne nicht bereits durch die theoretisch denkbare Möglichkeit einer PIN-Ermittlung erschüttert werden. Die in den AGB vorgesehene Haftungsbeschränkung könne nur für solche Sachverhalte Geltung beanspruchen, bei denen Schäden verschuldensunabhängig eingetreten sind. Das Kartenunternehmen trifft kein im Sinne des § 254 BGB anzulastendes Organisationsverschulden; etwaige Organisationsmängel treten bei der Gesamtabwägung zurück, da der Karteninhaber den Schaden vorwiegend verursacht und in höherem Grad wahrscheinlich gemacht hat. Auch den Vortrag des Karteninhabers zum Knacken des Quellcodes der Banken betreffend die PIN wies das Gerichts als nicht berücksichtigungsfähig und spekulativ zurück. Das Kartenunternehmen treffe auch kein mitwirkendes Verschulden wegen vermeintlich unzureichender technischer Standards.


Der Wortlaut der Entscheidung kann Hier abgerufen werden.

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